Stilllegung der Kernkraftwerke Doel und Tihange: ein industrielles Großprojekt, bei dem Sicherheit an erster Stelle steht
Im Rahmen dieses Projekts muss das gesamte radioaktive Material sicher aus den Kraftwerksblöcken entfernt und das Gelände für eine neue Nutzung vorbereitet werden. Ein anspruchsvolles, innovatives Projekt, dessen Durchführung strengsten Sicherheitsvorschriften unterworfen ist.
Wir werden dieses Projekt unter Einbringung unserer gesamten Expertise in der Kerntechnologie umsetzen, genau so wie dies beim Betrieb unserer Kernkraftwerke stets der Fall war. Unser Ziel? Eine Referenz für Kraftwerksstilllegungen zu werden!
Stilllegung
Neben Errichtung und Betrieb gehört auch die Stilllegung zum Lebenszyklus eines Kernkraftwerks. Diese Phase umfasst alle administrativen und technischen Maßnahmen, die von der Vorbereitung der endgültigen Stilllegung der Anlage bis zur Bereitstellung des Geländes für eine neue industrielle Nutzung reichen.
Die Außerbetriebnahme umfasst die definitive Stilllegung (DSL), der sich der Rückbau anschließt. Die DSL ist durch die Betriebsgenehmigung abgedeckt. Im Anschluss daran muss die FANC die Rückbaugenehmigung erteilen, sodass die Rückbauarbeiten einsetzen können. Mit dem Abriss und der Bodensanierung kann begonnen werden, sobald die Gebäude frei von Radioaktivität sind.
Definitive Stilllegung (DSL)
Der Zweck der definitiven Stilllegung ist die Vorbereitung der Anlage für den Rückbau
Die definitive Stilllegung des Kernkraftwerks beginnt, sobald der Reaktor endgültig abgeschaltet ist. Zweck dieser Phase ist es, alle Brennelemente und Gefahrstoffe aus den Anlagen zu entfernen. Die Abfälle, die während der DSL anfallen, werden am Standort selbst aufbereitet. Die verbrauchten Brennelemente werden nach und nach in die Zwischenlager (SCG-SF² in Doel und DE-SF² in Tihange) verbracht.
Die Arbeiten im Rahmen der DSL sind von der laufenden Betriebsgenehmigung gedeckt, hierbei wird der Genehmigungsrahmen (Sicherheitsbericht und technische Spezifikationen) dem Fortschritt der Arbeiten kontinuierlich angepasst. Die definitive Stilllegung unterteilt sich in vier mehrjährige Phasen. Sobald die DSL abgeschlossen ist und die entsprechende FANC-Genehmigung erteilt wurde, kann der Rückbau der Anlage beginnen.
DSL in vier Phasen:
Phase 1 | Entleeren des Reaktors und Überführung der Brennelemente in die Abklingbecken zwecks Abkühlung. |
Phase 2 | Entfernung der Kernteilchen aus dem Primärkreislauf |
Phase 3 | Verladung der Brennelemente in speziell dafür vorgesehene Behälter und Transport in die Zwischenlager |
Phase 4 | Endreinigung der letzten Kreisläufe, Beseitigung aller Abfälle (bzw. Abwässer) und Gefahrstoffe |
Die nukleare Sicherheit steht immer an erster Stelle, dies gilt auch während der definitiven Stilllegung
Verschiedene Kreisläufe, Systeme und Anlagen gewährleisten den sicheren Betrieb des Kernkraftwerks. Diese Systeme sorgen u. a. für die Kühlung der Brennelemente, den Einschluss radioaktiver Stoffe und den Schutz vor ionisierender Strahlung. Wir nennen dies „die nukleare Insel“.
Im Verlauf der verschiedenen Phasen der definitiven Stilllegung nehmen die kerntechnischen Risiken ab, z. B. wenn der Reaktor heruntergefahren wird, oder wenn der Brennstoff in den Abklingbecken abkühlt. So lassen sich systematisch die Kreisläufe und Systeme außer Betrieb nehmen. Die Bestimmung, welche Systeme nicht mehr benötigt werden, ohne die kerntechnische Sicherheit zu gefährden, ist eine der Hauptaufgaben bei der Vorbereitung der DSL.
Rückbau
Alle kerntechnischen und nicht-nuklearen Anlagen werden in sieben Stufen zurückgebaut
Dabei geht es im Wesentlichen um die Entfernung großer Elemente wie dem Reaktorbehälter, den Dampferzeugern und dem biologischen Schild um den Behälter.
Sämtliche Rückbaumaßnahmen müssen von der Rückbaugenehmigung gedeckt sein, wobei sie den Sicherheitsauflagen der FANC unterworfen sind. Der Großteil des beim Rückbau anfallenden Abfalls (98 %) ist konventioneller Art und wird sofort entsorgt. Der andere, radioaktive Abfall wird vor Ort aufbereitet, bevor er zu Belgoprocess transportiert wird.
Europäische Erfahrungen
Die in Doel und Tihange für den Rückbau der Kernkraftwerke verfolgte Vorgehensweise fußt auf den Richtlinien der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) sowie auf den Erfahrungen mit anderen Anlagen, die derzeit stillgelegt werden oder bereits stillgelegt wurden, dazu zählen Obrigheim, Neckarwestheim, Mühleberg, Fessenheim, Ringhals und José Cabrera.
Diese Erfahrungen helfen uns dabei festzulegen, wie wir die verschiedenen Phasen der Stilllegung und des Rückbaus angehen. Dies gilt auch für die Zwischenlagerung der verbrauchten Brennelemente.
Darüber hinaus können wir auf die Erfahrungen aus der Stilllegung des Kernreaktors BR3 im belgischen Kernforschungszentrum (SCK) in Mol zurückgreifen.
Abfall
Beim Rückbau eines Kernkraftwerkes fällt Abfall an. 98 % sind konventionelle Abfälle (Beton und Metalle), diese werden so weit wie möglich recycelt. Der verbleibende radioaktive Abfall wird sortiert, aufbereitet und verpackt, bevor er zur (Zwischen-)Lagerung verbracht wird. Je nach Art des Abfalls geschieht dies vor Ort oder bei Belgoprocess.
Finanzierung
Seit 1975 hat Electrabel kerntechnische Rückstellungen gebildet, um die Kosten für den Rückbau und die Endlagerung radioaktiver Materialien zu decken. Die Rückstellungen werden von Synatom unter der Aufsicht der Kommission für nukleare Vorsorge verwaltet, die sich ihrerseits auf die Empfehlungen der ONDRAF/NIRAS stützt.
In regelmäßigen Abständen erfolgt eine Überprüfung dieser Rückstellungen für die Stilllegung der Kernkraftwerke unter Berücksichtigung der aktuellen Wirtschaftsdaten, des technischen Fortschritts und der regulatorischen Änderungen.
Am 13. Dezember 2023 haben ENGIE und die belgische Regierung eine Vereinbarung unterzeichnet, in dem die Bedingungen für die Verlängerung der Kernkraftwerke Doel 4 und Tihange 3 festgelegt sind. Diese Vereinbarung zielt darauf ab, die Risiken zwischen den beiden Parteien auszugleichen und Unsicherheiten über die Entwicklung der Bestimmungen im Zusammenhang mit der Entsorgung aller nuklearen Abfälle zu beseitigen. So wurde vereinbart, einen Pauschalbetrag für die künftigen Kosten im Zusammenhang mit der Entsorgung nuklearer Abfälle auf der Grundlage eines neuen, von ONDRAF/NIRAS ermittelten Szenarios für alle kerntechnischen Anlagen von ENGIE in Belgien in Höhe von insgesamt 15 Mrd. Euro festzulegen.
Wirtschaftliche Chancen des Rückbaus
Der Rückbau der Kernkraftwerke bietet auch bestimmte wirtschaftliche Chancen für belgische und internationale Unternehmen. In den ersten 10 bis 15 Jahren nach des Rückbaus eines Kraftwerkes liegt der Schwerpunkt auf spezifischen nuklearen Aktivitäten: Entfernung radioaktiver Bestandteile, Verarbeitung radioaktiver Stoffe und Dekontaminierung von Strukturen. Diese Aktivitäten werden von den bestehenden Kernkraftwerksteams durchgeführt, ergänzt durch spezialisierte Nuklearunternehmen. In der Zwischenzeit müssen auch neue Anlagen für die Materialwirtschaft gebaut werden. Es folgt der konventionelle Abbruch, der sich so weit wie möglich auf die Rückgewinnung, das Upcycling und das Recycling von Materialien konzentriert.
Der Umfang einer Ausschreibung für die großen Rückbauprojekte übersteigt oft die Möglichkeiten eines einzelnen Unternehmens. Die internationale Erfahrung beim Rückbau anderer Kraftwerke zeigt auch, dass Projekte in der Regel an ein Konsortium von Unternehmen vergeben werden, die zusammenarbeiten, um ein qualitativ hochwertiges und wettbewerbsfähiges Angebot zu unterbreiten. Wir raten Unternehmen daher dringend, potenzielle Synergien bereits mit Blick auf die bevorstehenden Chancen zu prüfen.
Bei der Auftragsvergabe halten wir uns an die Ausschreibungspolitik der ENGIE-Gruppe.
Haben Sie als Unternehmen konkrete Fragen diesbezüglich? Möchten Sie uns Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen in Rückbau präsentieren? Oder möchten Sie zu zukünftigen Informationsveranstaltungen über Kommunikation für Unternehmen eingeladen werden? Bitte kontaktieren Sie uns über unser Kontaktformular.
Unser Auftrag
Seit Jahrzehnten betreiben wir Kernkraftwerke auf sichere und professionelle Weise. Damit haben wir zur stabilen Energieversorgung unseres Landes beigetragen. Wir wollen die Stilllegung, ein ehrgeiziges und komplexes Industrieprojekt, mit der gleichen Professionalität auf sichere und verantwortungsbewusste Weise mit Rücksichtnahme auf Mensch und Umwelt angehen.